Gemeinsame Frühjahrstagung der DGS Sektionen ‘Methoden der qualitativen Sozialforschung’ und ‘Soziologie des Körpers und des Sports‘
Universität Bayreuth, 24. – 25. März 2022
Mobilität wird als konstitutives Merkmal von Gesellschaft und sozialem Leben in der soziologischen Forschung auf vielfältige Weise empirisch adressiert und prägt die Theorie- und Methodenentwicklung entscheidend. Dabei sind es oft Impulse aus der qualitativen Forschung, die nicht nur auf sich verändernde Bewegungsordnungen aufmerksam machen, sondern zugleich deren methodologische Reflexion befördern und methodische Innovationen stimulieren, wie sich etwa im Kontext des mobility turns der 1990er Jahre gezeigt hat. Dabei wurde auch die Beziehung zwischen Bewegung, Raum und Körpern neu überdacht. Auf welche Weise und in welche Richtungen hat sich die qualitative Forschungspraxis in den letzten Jahren bewegt? Was verraten die methodologischen Debatten und methodischen Entwicklungen über die Gegenwartsgesellschaft? Diese Fragen nimmt die Frühjahrstagung zum Ausgangspunkt und lädt dazu ein, Mobilität als Spiegel gesellschaftlicher Verhältnisse zu verstehen und das methodische und analytische Potenzial einer solchen Perspektive auszuloten.
Mobilität kann verschiedene gesellschaftliche Bereiche und Phänomene betreffen oder generieren und Gesellschaft somit auf unterschiedlichen „Wegen“ charakterisieren und verändern. Allein die körperliche (Sport, Verkehr) wie auch „entkörperlichte“ (Medien), die geographische (Reisen, Migration, Flucht) sowie die soziale (zwischen Status und Positionen oder zwischen Humankategorien) Mobilität haben entscheidende Wirkungen auf die gesellschaftlichen Verhältnisse und auf soziologische Methoden und Begriffe. Sowohl verkörperte Praktiken als auch Infrastrukturen und Regulierungen produzieren das In-Bewegt-Sein. Damit ermöglichen und behindern sie Mobilität und normieren auf diese Weise Körper. Die vergesellschaftende Kraft von Bewegung zeigt sich damit auch in der Mikromobilität der Körper. Nicht weniger gilt dies für politische Mobilisierung, also durch z. B. politische Bewegungen und Parteien beeinflusste Beziehungen und Veränderungen oder für kulturelle Mobilität, etwa die historische, transnationale oder räumliche Bewegung (etwa als Übersetzung oder Expansion) von Ideen, Gegenständen (z. B. wiederum Medien, technische oder Sportgeräte), Institutionen oder auch Wörtern. Ebenso lassen sich (sich verändernde) Mobilitätskulturen und -ordnungen zu all diesen und eventuell noch weiteren „Bewegungen“ erforschen. Mobilität ist also mit zahlreichen anderen, wichtigen sozialen Phänomenen verbunden, etwa mit sozialer Ungleichheit, mit Umwelt- und Klimafragen, politischen Handlungszusammenhängen, kulturellem Wandel, Digitalisierung oder Migration – auch wenn das im Einzelnen oft nicht voneinander zu trennen ist.
Vor diesem Hintergrund lassen sich eine Fülle an soziologischen Perspektiven am Gegenstand der Mobilität entwickeln, die jeweils spezifische methodische und methodologische Implikationen haben. Im Rahmen der Frühjahrstagung wollen wir uns mit den methodischen und methodologischen Bewegungen in der qualitativen Forschung ebenso auseinandersetzen, wie mit den sich bewegenden und in Wandlung begriffenen Mobilitätsordnungen und -kulturen.
Möglich wären deshalb Beiträge, die sich u. a. mit folgenden Fragen befassen:
- Welche methodischen und methodologischen Anforderungen sind mit der Untersuchung von Mobilität(‑en) aus der Perspektive einer interpretativen Sozialforschung verbunden?
- Worin liegt die Innovation qualitativer Studien in diesem Bereich?
- Auf welches theoretische Konzept bzw. Verständnis von „Mobilität“ wird in der empirischen Forschung jeweils rekurriert?
- Wie lassen sich die Mobilität von Körpern, von Dingen oder Ideen und ihre Wechselwirkungen erfassen?
- Was lässt sich mit welchen Methoden über bestimmte Gruppen und ihre (sich wandelnden) Bewegungsmuster, z. B. in Räumen oder Verkehrsmitteln, beim Sport, in den Städten und Straßen, in (Berufs- oder Macht-) Positionen und Institutionen sagen?
- Wie lässt sich der Zusammenhang von Formen körperlich-dinglicher, solcher politisch-ideeller und/oder sozialstruktureller Mobilität analytisch fassen und methodisch greifbar machen?
- Wie lassen sich die verkörperten und materiellen Praktiken der Bewegung, digitale und kommunikative Mobilitäten, sowie Infrastrukturen und Regulierungen, die Bewegung ermöglichen oder behindern, in den Blick nehmen?
- Was kann mit welchen Methoden über (aktuelle wie auch vergangene) politische Mobilisierung oder soziale Bewegungen ausgesagt werden?
- Inwiefern haben sich Mobilitäts- oder Mobilisierungskulturen verändert?
- Wie lässt sich das Konzept der „Masse“ oder von Körperkollektiven in die Frage nach Mobilität integrieren?
- Welchen Erkenntniswert haben auf Mobilität rekurrierende Kategorisierungen etwa in Form von Trans-Konzepten (u. a. Transmigration, Transclass, Transkultur, Transgender, Transsituativ) für die Erforschung von Mobilität und gesellschaftlicher Ordnungen und wie können sie empirisch fruchtbar gemacht werden?
- Unter welchen geschichtlich-gesellschaftlichen Bedingungen (z.B. Disruptionen als erzwungener Stillstand) werden soziale Wirklichkeit und sozialer Wandel etc. überhaupt erst unter dem Gesichtspunkt der Mobilität beobachtbar gemacht?
Vortragsvorschläge (max. eine Seite) bitte per Email bis 31.1.22 an:
Larissa Schindler (larissa.schindler@uni-bayreuth.de)
Melike Şahinol (sahinol@oiist.org)